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Was geschieht HINTER der Fassade?

"Denke nicht an das was du siehst, sondern an das was nötig war um es zu produzieren!"

Hauptproblem dabei sind die vermittelten Gedankenmodelle, welche zum Hindernis des Erkennens der Wirklichkeit werden: Das Problem der „semantischen Falle“. „Wir wissen nicht, was wir nicht wissen!“ - oder, anders gesagt, wir sind immer nur in der Lage, uns beim Denken entlang der impliziten Logiken der Begriffe zu hangeln. (C. Lehmann)


Es ist im Grunde nicht schwierig...

„… eine Reihe von Schlüssen zu ziehen, deren jeder sich vom vorhergehenden ableitet und an sich unkompliziert ist. Wenn man nach diesem Vorgehen nun einfach alle Zwischenschnitte überspringt und seinen Zuhörern nun den Ausgangspunkt und die Lösung präsentiert, lässt sich eine verblüffende Wirkung erzielen, die allerdings nach Effekthascherei aussehen mag.“ *A.C. Doyle*


Sonntag, 9. Januar 2011

Die politische Weisheit eines Außenseiters

USA: Anschlag auf Gabrielle Giffords (Süddeutsche Zeitung, 9. Januar 2011)

Folgender Text kam (mal wieder) in den Sinn, als diese Meldung veröffentlicht wurde:

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Gestern sprach mich ein Kerl in Army-Klamotten an und sagte: „Jetzt, wo es Kennedy erwischt hat, solltest du da was drüber schreiben.“

Dies ist das Jahrzehnt der Attentäter und Experten. Und keiner von ihnen ist ein Stück gefrorene Hundescheiße wert.

Das entscheidende Problem , das durch ein Attentat wie das auf Robert Kennedy aufgeworfen wird, ist, dass wir nicht nur einen guten Mann verlieren, sondern auch gewisse politische, geistige und soziale Errungenschaften wieder einbüßen – und es gibt solche Dinge, mag es auch noch so geschwollen klingen.

In der Krise, die durch ein solches Attentat ausgelöst wird, verhärten sich automatisch die Vorurteile der anti-humanen und reaktionären Kräfte, und die Folgeerscheinungen einer solchen Krise werden als Vorwand benutzt, um mühsam errungene Freiheiten wieder zu annullieren.

Ich will mir hier nicht wie Camus (in seinen Essays) den Heiligenschein des engagierten Aktivisten aufsetzen, der sich um das Wohl der Menschheit sorgt, denn diese Menschheit macht mich zum größten Teil krank, und das einzige, was sich vielleicht anzustreben lohnt, wäre ein universales Konzept der Aufklärung und der Erziehung, des gegenseitigen Verstehens auf der Basis realer positiver Vibrationen, eine Chance für die heranwachsende Generation, die noch nicht mit dem Rücken zur Wand steht; aber ich gehe jede Wette ein, dass man auch sie hopps nehmen wird und dass man ein solches Konzept schon in den Anfängen abwürgen wird, weil es denen, die am Drücker sitzen, an die Substanz gehen würde. Nein, Sweetheart, ich bin kein Camus, aber es stört mich doch, wenn ich sehe, wie unsere Bonzen im Schlagschatten dieser Tragödie ihr leeres Stroh dreschen.

Ein Auszug aus der Erklärung Gouverneur Reagans:

„Der anständige, gottesfürchtige, die Gesetze unseres Landes achtende Bürger ist so erschüttert, und besorgt über das, was geschehen ist; wie Sie und ich. Er, und wir alle, sind die Opfer einer Haltung, die sich in den letzten Jahren immer mehr breit gemacht hat – einer Haltung, die meint, dass es jedem überlassen sei, wie und wann er die Gesetze befolgen will; dass er um irgendeiner Sache willen das Gesetz in die eigenen Hände nehmen kann, und dass ein Verbrechen nicht notwendigerweise die Sühne nach sich ziehen muss. Diese Haltung ist bestärkt und ermutigt worden durch die unverantwortlich demagogischen Reden so genannter Leader, die oft nicht einmal ein entsprechendes Mandat besitzen.“

Aber es hat keinen Zweck, diesen Burschen weiter zu zitieren. Das ganze Gerede ist einfach zu verlogen und durchsichtig. Das alte Vater-Image mitsamt der Knute, die dir über den Arsch gezogen wird. Und dann nimmt uns der gute Gouverneur die Spielsachen weg und schickt uns zur Strafe ohne Abendessen ins Bett.

Nun, weiß Gott, ICH hab Kennedy nicht ermordet, weder den einen noch den anderen. ICH hab auch weder King noch Malcolm X, noch all die anderen umgelegt. Aber jeder kann sich ausmalen, aus welchen Motiven die Linksliberalen nacheinander abserviert werden (einer der Verdächtigen soll in einem ’Reformhaus’ gearbeitet haben und die ’Juden gehasst’ haben …] -  egal aus welchen Gründen, die Linken werden abgemurkst und unter die Erde gebracht, und die Rechtsradikalen tragen dabei nicht mal Grasflecken auf ihren Knien davon.

Dass die Attentäter krankhaft veranlagt sind, mag man einräumen, und ebenso, dass das Vater-Image einen krankhaften Zustand signalisiert. O.K. Dann kommen auch noch die ’Gottesfürchtigen’ an und behaupten, ich sei ein ’Sünder’, weil meine Vorfahren mal dem Herrn Jesus an den Karren gefahren sind. Fest steht, dass ICH weder den Herrn Jesus noch den Kennedy umgelegt habe, und Mister Reagan hat es, soviel man weiß, auch nicht getan. Das heißt, wir sind quitt! Das heißt NICHT, das Reagan was Besseres ist als ich.

Was sind das denn für Leute, die versuchen uns Scheiße aufs Brot zu schmieren?

Wenn ein Pechvogel sich im Bett zu Tode vögelt, soll das heißen, dass alle anderen schuldbewusst das Pimpern einzustellen haben? Wenn sich herausstellt, dass ein missratener Bürger ein klinischer Fall ist, müssen sich dann alle Bürger als klinischer Fall behandeln lassen? Wenn jemand Gott getötet hat, heißt das, dass ich auch den Wunsch hatte, Gott zu töten? Wenn jemand Kennedy umbringen wollte, wollte ich es dann auch? Wer bringt es fertig, den Gouverneur so ins Recht zu setzen? Die Typen, die ihm seine Reden schreiben. Und nicht einmal besonders gute, wie man sieht.

Wie gesagt, alle rissen das Maul auf, allen voran unser Gouverneur; und jeder hatte irgendwelche miesen Komplexe oder Vorurteile abzuladen. Jeder, jeder der sich was zusammengerafft hat, WILL es um jeden Preis behalten und wird dir klarmachen, wie UNRECHT es wäre, ihm die goldenen Schubladen aus dem Schreibtisch ziehen zu wollen. Ich bin im Grunde ein unpolitischer Mensch; wenn ich aber sehe, wie diese reaktionären Geier ihre Schläge unterhalb der Gürtellinie anbringen, dann platzt mir der Kragen und ich steige in den Ring.

Die Irren einsperren. Aber wer IST ein Irrer? Also lässt man die Koryphäen, die Seelendoktoren, die Untersuchungsausschüsse auf uns los, um herauszufinden, wo bei uns der Wurm drin ist. Wer eine Macke hat und wer nicht, wer recht hat und wer nicht. Und wer eine Macke hat, gehört in die Gummizelle. Aber von sechzig Zeitgenossen, die man auf der Straße trifft, haben neunundfünfzig einen Schatten – industrielle Neurosen, keifende Ehefrauen, künstlich geschaffener Zwang zu Überstunden und Mehrkonsum, so dass sie keine Zeit finden, wieder zu sich zu kommen und sich klar zu werden, wer oder was sie eigentlich sind oder tun, und warum …

Und bald werden die Kommissionen ihre Berichte vorlegen; und wie die Armut&Hungernot-Kommissionen, die zu berichten wussten, dass da unten ein paar armselige unterernährte Kanaken rumkrebsen, werden sie uns berichten, dass es auch welche gibt, die im Oberstübchen unterernährt sind. Und dann wird alles wieder in Vergessenheit geraten; bis zur nächsten >Affekthandlung<, und bis zur nächsten Stadt, die in Flammen aufgeht. Dann werden sie wieder zusammentreten, erneut ihre langweiligen Plattitüden von sich geben, sich die Hände reiben und verschwinden wie ein Batzen Scheiße, wenn man die Spülung betätigt. Naja, schön wär’s. Nur kommt das Gesocks immer wieder hoch. Und am hartnäckigsten sind die Psycho-Equilibristen, die darauf bestehen, uns ihre geistigen Eiertänze vorzuführen und uns zu der Erkenntnis zu bewegen, dass bei uns was schief gegangen ist, weil unsere Mutter einen Klumpfuß hatte und der Vater Alkoholiker war und uns ein Huhn ins Maul geschissen hat, als wir drei Jahre alt waren, und deshalb sind wir pervers oder schwul oder bedienen acht Stunden am Tag eine Blechstanze. Während die simple Wahrheit ist, dass sich einige von uns elend fühlen, weil sie unterelenden Bedingungen leben müssen, und dass sich das ohne weiteres ändern ließe. Was man uns unter keinen Umständen zugeben will, ist, dass unser Geisteskrüppel und unsere Amokläufer zwangsläufige Produkte unseres gegenwärtigen inhumanen gesellschaftlichen Klimas sind, unseres guten alten AMERICAN WAY OF LIFE AND DEATH!

Und es ist geradezu kein Wunder, dass man uns anderen den Psychopathen nicht schon an der Nase ansieht.

Schluss mit den ernsten Betrachtungen; lassen wir diese Geschichte in einer etwas leichteren Tonart ausklingen. Ich war einmal unten in Santa Fè und saß mit einem Freund zusammen, der ein ziemlich renommierter Irrenarzt war, und während wir gerade so schön am Klönen und Bechern waren, beugte ich mich über den Tisch und fragte ihn:

„Jean, sag mir eins, bin ich verrückt? Also los, Baby, raus damit. Ich kann die Wahrheit vertragen.“

Er leerte in aller Ruhe sein Glas, setzte es auf den Tisch und verkündete ungerührt:

„Da wäre zu erst einmal mein übliches Honorar fällig.“

Und da wusste ich wenigstens, wer von uns beiden eine Schraube locker hatte.

Gouverneur Reagan und die Sportjournalisten waren nicht mit von der Partie, und der zweite Kennedy war noch nicht einem Attentat zum Opfer gefallen. Aber während ich diesem übergeschnappten Seelen-Klempner gegenübersaß, kam mir die unheilvolle Gewissheit, dass es gar nicht gut um uns bestellt war und das sich daran auch für ein paar weitere Jahrtausende nichts ändern würde.

So, mein Freund in deiner Army-Kluft, jetzt kannst du noch deinen Senf dazugeben …
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Textauszug/Bearbeitung von War Blog DK germany aus Aufzeichnungen eines Außenseiters (im Original: Notes of a dirty old man) von CHARLES BUKOWSKI. [Erstauflage Januar 1973] ~ ins Deutsche übertragen von Carl Weissner / beim Fischer Taschenbuch Verlag.

War Blog DK germany Anmerkung:

Zwei Generationen hat dieser Text bereits überlebt; hat er Recht gehabt mit seiner Sicht der Dinge? Oder ist alles nur das „Geschwätz“ eines alkoholkranken Schreiberlings gewesen? Hat sich wirklich was verändert? Wenn sich was verändert haben sollte, dann, dass dieser „American Way of Life and Death“ sich seither noch mehr (ganz besonders in Deutschland) verbreiten konnte, als wäre er eine Art ansteckender und tödlich endender Virus. Ein Virus der hier „Freund“ genannt wird, weil er mit Schokolade und Zigaretten da stand, nachdem er dein Haus zerstört hatte. ... Das ist KEIN Freund!


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